Das Buch als Gesamtkunstwerk (zur Vorzugsausgabe „Licht von den Lofoten“)

Ein Buch geht durch viele Hände, bevor es zum Gesamtkunstwerk wird

von Dr. Ralph Schippan (August 2021)

Schon bei der Gründung des PUNTILLO-Verlags 2009 war es das Anliegen, sich dem Schönen Buch zu widmen: anspruchsvoller Inhalt, von eigener Hand oder von Autoren aus dem Bekanntenkreis verfasst, sollte mit ansprechender, ästhetischer Buchgestaltung einhergehen. Über die Jahre entstanden Monographien über die Erstausgaben in unserer Sammlung, Kataloge über bibliophile Ausstellungen und solche der Bildenden Kunst, schließlich Gedichtbände und zuletzt ein besonders schön illustriertes Kinderbuch. Hardcover, Fadenheftung und ausgewähltes Papier in einem grafisch besonders ausgestalteten Einband, dies waren alles Merkmale unserer Verlagsprodukte.

Jetzt wollte ich einen Schritt weitergehen und meinen ersten Roman verfassen, mit autobiografischen Sequenzen zum Inhalt – und in einem besonderen Outfit – als neues Highlight des PUNTILLO-Verlags: neben der „Normalausgabe“ sollte eine handgebundene Vorzugsausgabe in limitierter Auflage erstellt werden. Soweit die Idee. Also ging ich ans Werk und skizzierte über die Monate die Reise des Protagonisten Oscár Lenz, die ihn aus der Welt der Berufstätigkeit hin zu seiner beginnenden „Dritten Lebenshälfte“ führte.

hier finden Sie das Buch

Mit dem Schreiben eines Romans war es noch lange nicht getan. Auch wenn dieser Vorgang fast ein Jahr in Anspruch genommen hatte, ging die kreative Arbeit weiter – oder gerade erst richtig los, nachdem ich das letzte Kapitel meiner Geschichte abgeschlossen hatte.

Ein wenig Mut gehört schon dazu, seinen Text von fremder Hand revidieren zu lassen. Meine Lektorin las das Werk mit fachkundig kritischem Blick auf Form und Inhalt. Ihre Fragen waren zum Beispiel: Ist der Plot in sich stimmig? Wird der Spannungsbogen gehalten, sind die roten Fäden sauber gespannt? Wurden die passenden Tempora verwendet? Ist es mir stilistisch gelungen, mich von dem bis dahin für mich gewohnten sachlichen Schreiben zu distanzieren? Wie steht es um meinen ungewöhnlichen Ansatz, ein Lebensbuch und einen Kriminalroman in einem zu verfassen, also ein von autobiografischen Erlebnissen gespeistes Werk mit Ratgebercharakter als einen fiktionalen Roman zu formulieren.

Damit stieß ich sowohl bei meiner Erstleserin Julitta Rössler, als auch bei meiner Lektorin auf Zustimmung. Danach ging es um die Fakten: Recherche und Überprüfung der beschriebenen Details, Korrekturen von Orthografie, Satzzeichen, Einrücken des Textes, etc. All das benötigte weiteren Zeiteinsatz, bis mein Werk fürs Layout geeignet war. In bewährter Weise meisterte Alexander Schmid die typographische Arbeit. Besonders gelungen neben der Auswahl der Schriftart gestaltete er die graphisch hervorgehobenen Einschübe von Schlüsseltexten.

 

 

Für einen Roman sind Bildgestaltungen innerhalb des Textes an sich unüblich. Dennoch war es mein Wunsch, Illustrationen vorzusehen, um die Leser zu inspirieren. Und wer war dazu mehr prädestiniert als mein langjähriger Freund, der freischaffende Düsseldorfer Künstler Kai Hackemann? Gleich sein erster Wurf eines Aquarells zur Darstellung des Nordlichtes hatte in Farbgebung und Pinselführung einen Gleichklang zu dem, was ich im Text ausdrücken wollte: etwas Geheimnisvolles, zugleich Unnahbares, aber dennoch ins Innere Strömende – das hatte er exakt getroffen. So entstand das Cover für das Titelbild.

 

Es folgten Illustrationen von weiteren Szenen aus dem Roman, die ich Kai zuvor nur en passant geschildert hatte. Energievolle Aquarelle zum Englischen Garten in München, zur Schlüsselszene auf den Lofoten und schließlich zu dem Endpunkt der Story mit der Szene auf der spanischen Plaza, auf der der Protagonist mit seinen Gedanken für die Zukunft verweilt. Diese Aquarelle fanden sogleich ihren Platz im Text. Wie sollte das Cover des Buchs in seiner Normalausgabe aussehen? Ein Ausschnitt aus dem Aquarell „Lofoten“ hatte die treffende Farbgebung aus Gelb, Grün und Türkis. Aber damit fühlte sich der Künstler noch nicht genug herausgefordert. Doch dazu später.

Zuvor machte ich mir Gedanken zur buchkünstlerischen Ausgestaltung meines Werks. In bibliophil ansprechender Weise sollte sie in Handbuchbindearbeit entstehen. Ich erinnerte mich an einen Besuch in der Werkstatt einer Schweizer Handbuchbinderin in Gottlieben am Seerhein, nahe der Grenze zu Konstanz.

Dort traf ich auf Sandra Merten, eine Meisterin ihres Fachs, die sogleich im ersten Wurf den Vorschlag machte, jedes Exemplar der Ausgabe mit einem individuellen Aquarell auf dem Einbanddeckel auszustatten. Aquarelle der Größe von 5 x 5 cm erschienen zu den Abmessungen des Buches von 14 x 22 cm passend.

Also eine weitere Aufgabe für Kai Hackemann: auf dem Fundament eines Aquarellkartons sollten nun 50 kleine Miniaturen entstehen – jedes mit einem eigenen Motiv, aber alle miteinander im farblichen Einklang. Kai bestand darauf, das Material „Leonardo“, ein Papier der Firma Hahnemühle mit einem Gewicht von 600 g/qm, zu verwenden, also ein echtes Schwergewicht, zu 100% aus Hadern bestehend. Gerade bei der kleinen Fläche der Aquarelle war es für ihn wichtig, dass es sich nicht wellt und in der Verwendung auf dem Buchdeckel stabil und alterungsbeständig ist. Nach dem Heraustrennen der Einzelstücke aus dem Ausgangspapier wurden alle noch einmal in Kleinarbeit nachgearbeitet, so dass jedes Motiv für sich steht. Hier eine kleine Auswahl dieser Miniaturen:

Jetzt ging es an die Auswahl des Papiers für den Druck der Vorzugsausgabe. Die Wahl fiel auf „Metapaper 150 g extrarough warmwhite“, ein Material von wunderbarer Haptik und gleichzeitig mit guter Haftung für die Farben. Bei der Verarbeitung beim Drucker musste das korrekte Ausschießen beachtet werden, damit nach dem Drucken, Falzen und Zusammentragen der Druckbogen die richtige Reihenfolge der Seiten eingehalten wurde.

Die Bogen, von den jeder 4 Textseiten enthielt, wurden nach der Prüfung des Komplettandrucks plano in die Werkstatt der Handbuchbinderin geliefert, dort gefalzt und zusammengetragen, aufgrund des recht dicken Papiers zu je drei Bogen je Lage. Zur Kompaktierung der somit aus 12 Lagen a jeweils 12 Seiten sowie am Anfang und am Ende mit einem Vorsatzpapier verbundenen Buchblöcke wurden sie in einer Handpresse eingespannt.

 

 

Die aus den zusammengetragenen Bogen und dem Vorsatz bestehenden Buchblöcke wurden anschließend fadengeheftet. Dazu bediente sich die Buchbinderin einer antiken Heftmaschine. Die einzelnen Lagen wurden wechselweise miteinander geheftet, Bünde wurden nicht verwendet. Das Bild rechts zeigt die bereits gehefteten Buchblöcke.

 

 

Danach wurde jeder geheftete Buchblock gepresst, verklebt und mit einer Gaze umlegt, um bei der späteren Verbindung mit dem Einband eine hohe Festigkeit zu erreichen.

Anschließend wurde der Buchblock dreiseitig beschnitten. Neben dem Lesebändchen in passendem grünem Stoff wurde an Kopf und Schwanz des späteren Buchrückens jeweils ein Kapitalband aus grünem Leder befestigt. Das Bild zeigt sowohl den Lederstreifen als Ausgangsmaterial als auch ein am Buchblock angebrachtes Kapital.

 

Für den Einband verwendete Sandra Merten zwei Kartons von jeweils 2,5 mm Stärke für die Stütze der vorderen und hinteren Deckel sowie einen dünneren (1,5 mm) für den Rücken. Diese wurden dann mit einem nachtblauen Papier überzogen.

 

Die Vertiefung für das Aquarell wurden mit Hilfe eines Klischees heiß eingepresst. Es ergab sich, dass die Tiefe der Ausnehmung nur einige Millimeter betragen konnte, ohne das Papier beim Einpressen zu beschädigen – jedenfalls nicht so tief wie ursprünglich geplant, um das Aquarell ganz aufzunehmen. Dieser Kompromiss aus den Anforderungen des Aquarellkünstlers einerseits und der Buchbinderin andererseits macht einen besonders eindrucksvollen Reiz dieses Produktes aus:

 

 

Zum Schluss wurden noch der von Hand gesetzte Rückentitel und das mit einem Klischee erzeugte Verlagslogo auf dem hinteren Buchdeckel mit Folie farbig geprägt und die Aquarelle eingeklebt.

Ein farblich an das Überzugspapier des Einbands angepasster Schuber aus nachtblauem dünnem Karton komplettierte die Ausgabe.
Es war ein wunderbares Gefühl, dieses Gemeinschaftswerk aus der Buchbindewerkstatt abzuholen und endlich in den Händen halten zu können:


Die anschließende Signierstunde mit Kai machte das Vorhaben komplett: