“Ein Buch ist – vom Stofflichen her betrachtet -, vollkommen, wenn es angenehm zu lesen und köstlich anzuschauen ist – wenn schließlich der Übergang vom Lesen zum Anschauen und der gegenläufige Übergang vom Anschauen zum Lesen bequem von statten gehen und unmerklichen Veränderungen innerhalb der Anpassungsbreite des Sehvermögens entsprechen.”
Der französische Lyriker und Philosoph Paul Valéry (1881-1945) beschreibt hier sehr greifbar das „bibliophile Element“ des Lesevorgangs, die „Harmonie von Form und Inhalt“ oder das „Gleichgewicht von Gestalt und Gehalt“.
Das Thema „Liebe zum schön gestalteten Buch“ beschäftigt die Menschheit aber schon sehr lange, spätestens seit der Zeit, in der Handschriften in der Form eines „Codex“ auftraten, also seit mehr als 2000 Jahren . Die hauptsächlich in den Skriptorien der Klöster auf kostbarem Pergament oder Papyrus verfertigten Schriften wurden wegen ihrer Bedeutung als „thesaurus sapientiae“ (Schatzbehälter für die Weisheit) häufig in kunstfertiger, und ästhetisch ansprechender Form eingebunden. Gleichzeitig mit der Verbreitung der Handschriften entstand bereits ein Tauschhandel und eine Sammlungskultur.
Laut Kirchners Lexikon des Buchwesens wird die Bibliophilie als Liebe zu solchen Büchern bezeichnet, die als Sammelobjekte geschätzt werden. Der Bibliophile ist ein Sammler von Büchern, die wertvoll sind, und zwar durch ihre Seltenheit, ihr Alter, ihr Material, ihr Format, ihre Typographie, ihre Herkunft oder durch ihren Inhalt. Bibliophilie ist also weder an die Schönheit (die künstlerische Ausgestaltung) noch an die Inhalte (literarische oder historische Bedeutsamkeit) gebunden. Sie beschäftigt sich mit dem Inhalt, mit der Form oder mit den Gestaltungsmitteln; häufig wird das Interesse des Bibliophilen durch Kombinationen dieser drei Gegebenheiten geleitet. Abgeleitet aus den Bestandteilen βιβλίον („Papyrusstaude”) und φιλος (Freund) bezeichnet Bibliophilie also allgemein das Sammeln von schönen, seltenen oder geschichtlich wertvollen Büchern. In Abgrenzung zu den Bibliothekaren in den öffentlichen Bibliotheken wird dieser Begriff Privatpersonen zugeordnet, welche ihre Privatbibliothek nach bestimmten Sammelkriterien aufbauen.
Eine frühe Abhandlung zum Begriff der Bibliophilie findet sich in dem Werk, das im Jahre 1345 Richard de Bury (eigentlich Richard Aungerville) (* 24. Januar 1287 bei Bury St. Edmund’s in Suffolk; † 14. April 1345 in Durham), Bischof von Durham, niederschrieb: PHILOBIBLON ODER DIE LIEBE ZU BÜCHERN.
Mit der Verbreitung des Buchdruckerhandwerks und damit der druckschriftlichen Erzeugnisse nahm die Entwicklung der Buchkultur über Jahrhunderte ihren Lauf. Doch erst der Beginn des vergangenen Jahrhunderts verhalf dem „Bibliophilentum“ zu einer besonderen Blütezeit: Es bildeten sich erstmals Sammlergemeinschaften als „bibliophile Interessensverbände“, deren Mitglieder in der Regel mit einer entsprechenden Kaufkraft ausgestattet waren. Die 1911 in Berlin entstandene MAXIMILIAN-GESELLSCHAFT, eine der beiden bedeutenden Vereinigungen von Büchersammlern in Deutschland, versteht den Begriff Bibliophilie, als „die Liebe zum Buch als Sammelobjekt in doppeltem Sinn“. In der Würdigung ihres Namenspatrons, dem deutschen Kaiser Maximilian (1493 – 1519), der sich Buchkünstlern wie Gelehrten gleichermaßen verpflichtet fühlte, widmet sich die Maximilian-Gesellschaft „dem künstlerisch und typographisch mit höchster Sorgfalt gestalteten und gedruckten literarischen Werk, aber auch der wissenschaftlichen Veröffentlichung über das Buch“. Die andere bedeutende deutsche Sammlergemeinschaft, die 1899 von Fedor von Zobeltitz in Weimar gegründete „Gesellschaft der Bibliophilen“, legt ihren Schwerpunkt dagegen eher auf Literatur, Literaturgeschichte und Bibliographie .
Zweifellos war der Zeitraum bis zum zweiten Weltkrieg die lebhafteste Zeit der bibliophilen Gesellschaften, von denen sich auch einige in regionalen Zirkeln, z.B. Leipzig, München, Wien oder Köln, ausbildeten. Auch noch bis hinein in die 70er Jahre genossen in ihnen wirkende namhafte bibliophile Persönlichkeiten großes Ansehen. Die Symbiose von fachkundigen Sammlern, Antiquaren und Auktionatoren war ein wesentliches Element dieser Epoche.
Solche „Klassische“ Bibliophilie hat heutzutage an Bedeutung verloren. Gründe sind die Verwerfungen in den Medienlandschaften aufgrund der digitalen Revolution und „die mangelnde Nachhaltigkeit beim Sammeln der Jüngeren und das Versinken älterer Literatur in den Bereich des nur noch Historisch-Wissenschaftlichen“ (v. Lucius).
Allerdings bedeutet einem bestimmten Leserkreis die Freude am schön gestalteten Buch nach wie vor viel. Möglicher Weise gerade angesichts der Zunahme von E-books oder anderer digitaler Speicherformen. Diese Menschen- vor allem aus der jüngeren Generation – zu inspirieren, sollte also ein Anliegen von uns Büchersammlern sein, um „auf diese Weise die neuen kulturellen Paradigmen zu inkorporieren“ .
Die nachfolgenden Worte der Bücherliebhaberin Maria Gräfin Lanckoronska , die sich von einem Teil ihrer Büchersammlung trennen musste, könnten da wegweisend sein:
“Erfüllt vom Gefühl tiefer Dankbarkeit für alles Wahre, Gute und Schöne, was mir die stillen Gefährten meines Lebens gewährt haben, nehme ich Abschied von ihnen und scheide mit dem Wunsche, dass sie neue Freunde finden mögen, die sie ebenso lieb gewinnen, ihnen ebenso nahe stehen, wie sie und ich miteinander verbunden waren. Lebt wohl, meine Bücher, und lebt weiter durch das, was niemals stirbt.”
Aus folgender Literatur wurde zitiert:
Paul Valery, “Die beiden Dinge, die den Wert eines Buches ausmachen” in: Über Kunst, dtsch. bei Suhrkamp, Frankfurt/Main 1973,
Detlef Bluhm, „Von Autoren, Büchern & Piraten, Kleine Geschichte der Buchkultur“, Artemis & Winkler, 2009,
Lexikon des Buchwesens. Hrsg. von Joachim Kirchner. 4 Bde., Stuttgart, Hiersemann 1952 – 1956,
Wulf D. von Lucius, „Zur Geschichte und gegenwärtigen Situation der bibliophilen Gesellschaften in Deutschland“ in: Buchwissenschaft in Deutschland, Handbuch herausgegeben von Ursula Rautenberg, de Gruyter Saur 2010, S. 1033-1046,
Bücher Sammler, Antiquare, Aus deutschen Auktionskatalogen, ausgewählt und eingeleitet von Rudolf Adolph, Sonderdruck der Gesellschaft der Bibliophilen e.V., 1971, S.289.